Vorwürfe sind offenkundig falsch und haltlos
Bei nora systems in Weinheim wurde ein langjähriger Betriebsrat fristlos gekündigt.
Ein Gespräch mit Wolfgang Alles
Interview: Daniel Behruzi
Wolfgang Alles ist IG-Metall-Betriebsrat bei Alstom in Mannheim und aktiv im Komitee »Solidarität mit Helmut Schmitt«
jungeWelt: Bei dem Bodenbelaghersteller nora systems GmbH, ehemals Freudenberg Bausysteme KG, in Weinheim ist das langjährige Betriebsratsmitglied Helmut Schmitt zunächst aus dem Betriebsrat ausgeschlossen und dann fristlos gekündigt worden. Die Mehrheit der Beschäftigtenvertretung wirft ihm vor, die Betriebsratsarbeit »auf breiter Front boykottiert« und das Ansehen des Gremiums durch »gezielte Angriffe und Falschinformationen« beschädigt zu haben. Das Unternehmen wiederum begründet die Entlassung mit einer Störung des Betriebsfriedens. Was ist zu den Vorwürfen zu sagen?
Wolfgang Alles: Sie sind offenkundig falsch und haltlos. Helmut Schmitt steht für 31 Jahre aktive und konsequente Betriebsratsarbeit. Deshalb ist die Unterstellung des Boykotts der Betriebsratsarbeit absurd. Wenn das Ansehen des Gremiums in der Belegschaft und der Öffentlichkeit beschädigt worden ist, dann durch das unternehmensnahe Agieren der Betriebsratsmehrheit. Kritische Stellungnahmen zu derartigen Verhaltensweisen sind weder »gezielte Angriffe« noch »Falschinformationen«, sondern die ureigene Aufgabe jedes nicht korrupten Betriebsrats.
Wenn die Vorwürfe nicht zutreffen, was steckt dann hinter der Entlassung?
Alle uns zur Verfügung stehenden Informationen weisen darauf hin, daß es hier um die zielstrebig und von langer Hand vorbereitete Ausschaltung eines aktiven Betriebsratsmitglieds geht. Helmut Schmitt hat bei den letzten Betriebsratswahlen im Jahr 2010 mit Abstand die meisten Stimmen erhalten. Er hat im Jahr 2007, als die damalige Freudenberg Bausysteme KG an einen Konkurrenten verkauft werden sollte, entscheidend zum Widerstand der Belegschaft beigetragen. Mit Torblockaden und Arbeitsniederlegungen konnten die Pläne Freudenbergs seinerzeit zunächst verzögert werden. 2008 haben dann die Finanzinvestoren Capiton und L-EA, eine Tochter der dem Land Baden-Württemberg gehörenden L-Bank, die Firma übernommen. Seitdem firmiert der Bodenbelaghersteller als nora systems GmbH. Offensichtlich will die Geschäftsleitung in Absprache mit der Betriebsratsmehrheit jetzt verhindern, daß sich die Belegschaft erneut gegen einen Verkauf wehrt, der mit Arbeitsplatzabbau, Lohnkürzungen und anderen Nachteilen für die Beschäftigten verbunden sein könnte.
Die Unternehmensleitung erklärt, es bestehe kein Zusammenhang zwischen der Kündigung und dem geplanten Verkauf von Nora Systems an einen Mitbewerber.
Wir haben weder bei den rund 900 Kolleginnen und Kollegen der nora systems GmbH noch in der Öffentlichkeit jemanden gefunden, der diese Darstellung ernst nimmt.
Das Solidaritätskomitee hat in der vergangenen Woche mit einer Flugblattaktion vor dem Werkstor seine Sicht der Ereignisse dargestellt. Wie waren die Reaktionen der Belegschaft?
Bis auf die Betriebsratsmehrheit, die sich auf Medienanfrage von dem Solidaritätskomitee »distanziert« hat, konnten wir nur sehr positive Rückmeldungen verbuchen. Manche nora-Kollegen haben sogar Flugblätter zum Weiterverteilen in den Betrieb mitgenommen.
Wie geht es jetzt weiter? Was können Außenstehende tun, um Helmut Schmitt zu unterstützen?
Helmut weiß, daß er sich nicht nur auf die Unterstützung des Solidaritätskomitees verlassen kann, sondern auch auf Betriebsratsgremien und Gewerkschaftsgliederungen aus der Region um Weinheim und darüber hinaus. Protestschreiben an die Geschäftsleitung und die Betriebsratsmehrheit der nora systems GmbH (Höhner Weg 2–4, 69465 Weinheim) sind ebenso sinnvoll wie Solidaritätsbekundungen an Helmut Schmitt wünschenswert. Schließlich sollten möglichst viele Gewerkschafter Helmut bei den im August anstehenden ersten Arbeitsgerichtsterminen begleiten.
Kontakt Solidaritätskomitee: E-Mail:
Weitere Infos: www.labournet.de/branchen/chemie/allg/index.html
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