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Gefeuerter Betriebsrat darf wieder zu nora

Von unserem Redaktionsmitglied Michael Roth

Arbeitsrecht: Helmut Schmitt wieder Arbeitnehmervertreter

WEINHEIM. Helmut Schmitt, aus dem Betriebsrat ausgeschlossener und anschließend fristlos gekündigter Arbeitnehmervertreter und Beschäftigter des Bodenbelagherstellers nora systems, darf beide Tätigkeiten wieder ausüben. Darauf haben sich Geschäftsführung, Betriebsrat und Schmitt geeinigt. Der vor dem Arbeitsgericht Mannheim anhängige Rechtsstreit wird damit beendet, teilte Schmitts Anwalt Hilmar Hoppe gestern mit.

„Aufgrund der erzielten Einigung wird Herr Schmitt sowohl sein Beschäftigungsverhältnis für nora als auch seine Tätigkeit als Betriebsrat wieder aufnehmen”, heißt es in der Mitteilung weiter. Über den detaillierten Wortlaut der Vereinbarung wurde Stillschweigen vereinbart. Daran will sich Schmitt halten. „Ich will mich nicht dazu äußern”, sagte er gestern dieser Zeitung. Die Verschwiegenheit, zu der Betriebsratsmitglieder gesetzlich verpflichtet sind, will er weiterhin beachten.

Nun könne er seine Arbeit wieder aufnehmen, und seine Zielsetzung sei es, die Interessen der Belegschaft zu vertreten. Weil nora vor einem Verkauf steht, will Schmitt „versuchen, dass eine Betriebsvereinbarung zustande kommt, mit der die Rechte der Mitarbeiter gesichert und betriebsbedingte Kündigungen vermieden werden”.

Die Betriebsratsmehrheit von nora hatte den langjährigen Arbeitnehmervertreter Schmitt auf einer außerordentlichen Sitzung am 29. Juni 2012, einem Freitag, aus dem Gremium ausgeschlossen. Er habe die Arbeit im Betriebsrat „auf breiter Front boykottiert” und versucht, durch „gezielte Angriffe und Falschinformationen” das Ansehen des Betriebsrats zu beschädigen. „Als Schmitt nach dem letzten Tarifabschluss unserem Betriebsratsvorsitzenden Bestechlichkeit vorgeworfen hat, mussten wir handeln”, hieß es in einer „BR-Info”.

Am Montag (2. Juli) nach dem Ausschluss aus dem Betriebsrat wurde dem 59 Jahre alten Schmitt von der nora-Geschäftsleitung fristlos gekündigt. Schmitt soll angeblich Unwahrheiten verbreitet und den Betriebsfrieden massiv gestört haben. Der Betriebsrat stimmte der Kündigung Schmitts – der übrigens bei der letzten Betriebsratswahl 2010 die meisten Stimmen erhielt – zu.

Im Zuge der Wiedereinstellung von Schmitt bei nora und seiner Rückkehr in den Betriebsrat erklärte er, dass er weder dem Betriebsratsvorsitzenden Bestechlichkeit noch dem Unternehmen eine Manipulation vorgeworfen habe. Falls dieser Eindruck entstanden sein sollte, „bedauert er dies nachdrücklich”, steht in der Mitteilung des Anwalts.

Der nora-Betriebsratsvorsitzende Hans-Erich Baumann wollte sich gestern nicht äußern. Die Pressemitteilung liege ihm nicht vor. Ein nora-Sprecher bestätigte die Einigung, der zufolge Schmitt „sein Arbeitsverhältnis und seine Tätigkeit als Betriebsrat wieder aufnimmt”. Außerdem sagte er: „Es ist Teil unserer Unternehmenskultur, bei Differenzen und Streitigkeiten wenn irgend möglich einer Lösung im gemeinsamen Dialog den Vorzug zu geben.”

nora vor abermaligem Verkauf

  • Nach einer Mitteilung des Konzernbetriebsrats von Freudenberg (KBR-Netz Freudenberg Nr. 64) hat die Geschäftsleitung der früheren Tochtergesellschaft nora, die derzeit zwei Finanzinvestoren gehört, über Probleme beim beabsichtigten abermaligen Verkauf informiert. Das bestätigte auch ein nora-Sprecher.
  • Wie es in der Betriebsratsmitteilung vom vergangenen Freitag weiter heißt, würden sich wegen der nicht positiven Außenwahrnehmung die Verhandlungen schwierig gestalten. Indirekt werde dem gekündigten Betriebsrat Schmitt unterstellt, er sei der „Totengräber”. „Das ist nicht korrekt”, so der nora-Sprecher.
  • In der Mitteilung heißt es weiter, dass man sich den Kaufinteressenten offenbar anbiedern wolle, indem ausdrücklich auf den Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Absicherung der Beschäftigteninteressen und insbesondere den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen verzichtet wird. Dies würde den Kaufpreis nach unten drücken.
  • Solange Schmitt nicht im Unternehmen war, habe der Verkaufsprozess offensichtlich ungestört gegen die Interessen der Belegschaft durchgezogen werden können.
  • Nora ist mit 900 Mitarbeitern nach Freudenberg der zweitgrößte Arbeitgeber in Weinheim.

Kommentar

Michael Roth über die Ereignisse bei nora in Weinheim

Neuwahlen, aber sofort

Es gehört schon viel Fantasie dazu, die Rückkehr des entlassenen nora-Betriebsratsmitglieds Helmut Schmitt ins Unternehmen und das Arbeitnehmergremium als Vergleich zu beschreiben. So war es in einer Pressemitteilung zu lesen. Krachende Niederlage für die Firma und den Betriebsrat wäre wohl die zutreffende Formulierung.

Nun haben sich alle Seiten versprochen, sich wieder zu vertragen und künftig gedeihlich zusammenzuarbeiten. Dass Schmitt wieder bei nora beschäftigt wird, ist das kleinere Problem. Auch wenn die nora-Anwältin bei einem früheren Arbeitsgerichtstermin von einem nachhaltig zerrütteten Verhältnis zwischen Schmitt und der Firma sprach.
Schließlich war Schmitt Betriebsrat und wird wieder Betriebsrat sein. Dass der engagierte Schmitt sich künftig stark zurücknimmt, ist eher unwahrscheinlich. So gesehen weiß die Geschäftsführung, was auf sie zukommt.

Dass Schmitt mit dem Rest des Arbeitnehmergremiums aber vertrauensvoll weiter arbeiten kann, der ihn im Sommer ausgeschlossen hat und dann auch noch seiner Kündigung zustimmte, ist kaum zu erwarten. Eine Lösung könnte ein Rücktritt des gesamten Arbeitnehmergremiums sein, mit daran anschließenden sofortigen Neuwahlen. Das wäre dann ein Neuanfang ohne Altlasten. Bei den letzten Betriebsratswahlen hieß der Kandidat mit den meisten Stimmen übrigens Helmut Schmitt.