Personalie: Mehr als 14 Jahre stand Peter Bettermann an der Spitze des Mischkonzerns – heute ist sein letzter Arbeitstag
Freudenberg konsequent umgebaut
Von Michael Roth und Carsten Propp
WEINHEIM. Wenn sich morgen Gesellschafter von Freudenberg zu ihrer alljährlichen Versammlung treffen (320 sind eingeladen), wird es jede Menge Beifall, Lob und warme Worte für Peter Bettermann geben, den Mann, der ihr Unternehmen von 1997 bis heute führte.
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Für den Dank der Eigentümer gibt es allen Grund. Freudenberg, in der Öffentlichkeit vor allem durch die Marke Vileda bekannt, wurde in der Ära Bettermann größer und ertragstärker. Die Zahl der Mitarbeiter am Stammsitz Weinheim hingegen ging zurück. Allerdings muss hierbei berücksichtigt werden, dass viele Beschäftigte der von Freudenberg verkauften Bereiche nach wie vor am Standort Weinheim einen Arbeitsplatz haben, nur eben bei einem neuen Arbeitgeber und nicht mehr bei Freudenberg.
Rechnet man diese in die Job-Bilanz mit ein, fielen bei Freudenberg in der Bettermann-Ära vergleichsweise weniger Jobs (prozentual gerechnet) weg als etwa bei Mercedes-Benz in Mannheim oder der BASF in Ludwigshafen. Ohne besagte Jobs ist der Abbau bei Freudenberg vergleichbar dem bei der BASF.
Nur gut für das Konzernergebnis
Das Verhältnis des Freudenberg-Chefs zu den Arbeitnehmervertretern hat sich im Lauf der Jahre gebessert. Bettermanns Amtszeit sei durch die Dezentralisierung des Unternehmens und die Erschließung neuer Märkte geprägt gewesen, erklärte Bernd Egner, Vorsitzender des deutschen Konzernbetriebsrates und Mitglied des Euro-Betriebsrates von Freudenberg, gegenüber dieser Zeitung: "Das war zwar gut fürs Konzernergebnis, aber nicht unbedingt für die Mitarbeiter."
Schon 2005 und 2006 kam es zu großen Demonstrationen und Unterschriftensammlungen in Weinheim, als es um den Abbau von 350 Stellen bei der Vliesstoffe KG ging. Damals einigte man sich schließlich darauf, dass "nur" 280 Jobs gestrichen wurden. Im Gegenzug verzichteten die Mitarbeiter auf zwei Prozent ihres Lohnes und die Hälfte ihres Urlaubsgeldes.
Als jedoch Anfang 2007 Gerüchte bekanntwurden, dass Freudenberg die Bausysteme KG verkaufen wolle, eskalierte der Konflikt mit den Arbeitnehmern. Am 19. Januar 2007 wurden die Werkstore in Weinheim für zehn Stunden von Mitarbeitern blockiert - ein einmaliger Vorgang in der Firmengeschichte.
Drei Tage später lenkte Bettermann ein; die Verkaufsgespräche wurden vorübergehend ausgesetzt. Doch im September 2007 wurde die Bausysteme KG an den Finanzinvestor Capiton verkauft und firmiert seither unter dem Namen "nora systems". Der Betriebsrat war zwar erleichtert, dass Freudenberg diesen Bereich nicht an einen Mitbewerber verkauft hatte, aber die Verbitterung war groß: "Die Mutter hat ihr Kind verstoßen", brachte damals ein Betriebsrat die Stimmung auf den Punkt.
Auch für Egner war der Konflikt um den Verkauf der Bausysteme KG ein "einschneidendes Erlebnis" in der Amtszeit von Bettermann. Doch der Konzernchef habe seine Lehren gezogen und in der Weltwirtschaftskrise 2008/2009 regelmäßig und frühzeitig den Betriebsrat über die Strategie des Konzerns informiert. "In diesem Sinne sollte auch der Nachfolger agieren", forderte Egner.
Nächste Woche beginnt Bettermanns Ruhestand. Sein Nachfolger als Freudenberg-Chef wird Mohsen Sohi. Der hat bereits einen Wachstumskurs vorgegeben. Der Umsatz soll um vier Prozent zulegen, die Rendite vor Steuern zwischen sieben und acht Prozent liegen.
Wie er sich die Mitarbeiterentwicklung in Weinheim vorstellt, darüber schwieg sich Sohi bisher aus. Die Freudenberg-Bilanz jedenfalls ist für die Zukunftspläne "bestens gerüstet", sagte Bettermann kürzlich. Und auch die strategischen Weichen sind für die nächsten Jahre gestellt.
Um künftig "krisenresistenter und konjunkturrobuster" (Bettermann) zu werden, hat der nun scheidende Chef den Umbau des Mischkonzerns kräftig forciert. Die Zukunftsmärkte sollen Spezialchemie, Medizintechnik, Öl- und Gasbranche, Schienentechnik und Windkraft sein. Bettermann kündigte des Öfteren an, die Abhängigkeit von den Großkunden in der Automobilindustrie, an die bisher Dichtungs- und Schwingungstechnik verkauft wird, zu verringern.
Kürzlich wurde mit dem Verkauf des Bremstechnikgeschäfts an Conti und dem Einbringen von Vibracoustic in ein Joint-Venture der Umbau abgeschlossen. Kerngeschäft von Freudenberg als Automobilzulieferer bleibt die Dichtungstechnik. Die historischen Kerngeschäfte Leder, Schuhe und Kautschukböden hatte Freudenberg schon früher auf- und abgegeben.
Malen und sanieren
Und Bettermanns persönliche Zukunft? "Die meisten Menschen, und da bin ich prinzipiell keine Ausnahme, halten sich bekanntlich für gänzlich unentbehrlich", sagte er kürzlich in einem Interview mit der ihm eigenen Verschmitztheit. Doch die Freudenberg-Statuten geben hier keinen Spielraum. Mit 65 Jahren ist Schluss, Bettermann hatte Ende Mai Geburtstag.
In nächster Zeit will er sich künstlerisch betätigen, Bettermann malt gerne. Außerdem will er mit Freunden ein kleines Dorf zwischen der Schweiz und Italien sanieren. Aufsichtsratsmandate in anderen Unternehmen will er jedenfalls nicht sammeln. Öffentlich in Erscheinung treten wird Bettermann in Zukunft vor allem als Vorsitzender des Universitätsrats in Heidelberg - möglicherweise auch in einer weiteren Amtszeit.
© Mannheimer Morgen, Freitag, 29.06.2012